Mandanteninformation zur Coronakrise
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Coronakrise beschäftigt uns alle. Natürlich geht es in erster Linie darum gesund zu bleiben und die Ausbreitung der Viren einzudämmen. Die hiermit einhergehenden Maßnahmen sind unumgänglich, aber eben auch einschneidend und die wirtschaftlichen Folgen lassen sich nicht ausblenden.
Viele Menschen stellen sich die Frage wie sie mit den nun auftretenden wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere mit sich abzeichnenden finanziellen Engpässen umgehen sollen. Dies betrifft den privaten und den geschäftlichen Bereich gleichermaßen. Zwangsläufig rücken damit auch die rechtlichen Auswirkungen der Coronakrise immer mehr in den Fokus der Beteiligten. Welche Forderungen sind vorrangig zu zahlen? Können Zahlungen ggfls. erst einmal ausgesetzt werden? Welche Forderungen sind unbegründet, wie ist mit gestörten Betriebsabläufen umzugehen und wer kommt letztlich für die Kosten auf? Nicht zuletzt sorgen sich Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz und Unternehmer stehen vor der Frage, wie ausbleibende Umsätze betriebswirtschaftlich kompensiert werden können. Insbesondere das Thema Kurzarbeit wird aktuell relevant.
- Der Gesetzgeber hat bereits mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 reagiert. Er regelt verschiedene insolvenzrechtliche Fragestellungen und gesellschaftsrechtliche Erfordernisse in Bezug auf die Entscheidungsfindungen. Dem Umstand, dass die regelmäßig erforderlichen Versammlungen derzeit nicht durchführbar sind, trägt er hierbei Rechnung. Dies gilt z.B. auch für die von Wohnungseigentümergemeinschaften zu beschließenden Wirtschaftspläne und Verwalterbestellungen.
Darüber hinaus werden Leistungsverweigerungsrechte im vertragsrechtlichen Bereich zugunsten von Verbrauchern und Kleinstunternehmen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht in der Lage sind ihre Verbindlichkeiten zu bedienen, geregelt. Gleichzeitig werden die Kündigungsmöglichkeiten von Vermietern für Mietrückstände aus dem Zeitraum April bis Juni 2020 für den Zeitraum bis zum 30.06.2022 ausgeschlossen, sofern ein Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung besteht.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist einzelfallabhängig zu klären. Verfehlt sind pauschale Aussagen, dass Forderungen erst einmal zurückgestellt werden können oder Kündigungen nicht möglich seien. Es geht dem Gesetzgeber nicht um ein grundsätzliches Aussetzen vertraglicher Pflichten, sondern um einen angemessenen Ausgleich der Interessen. Denn niemand ist nur Gläubiger oder nur Schuldner. Jeder Gläubiger ist zur Erhaltung seiner Liquidität auf die Zahlungen seiner Schuldner angewiesen, um wiederum die Forderungen seiner Gläubiger bedienen zu können. Daher ist bei allen Entscheidungen ein besonderes Augenmaß gefragt. Nur so können Geschäftsbeziehungen auch nach Bewältigung der Coronakrise erfolgreich fortgeführt werden. Das Gesetz bietet gerade keinen „Freifahrtschein“ Zahlungen einzustellen oder sich an vertragliche Vereinbarungen nicht mehr zu halten. - Die Coronakrise stellt auch die Bauindustrie vor große Anforderungen im Hinblick auf die Durchführung von Bauvorhaben sowie der Behandlung von Verträgen, Ansprüchen, Leistungsstörungen etc.
Zunächst ist davon auszugehen, dass es sich bei der Coronakrise um eine Form von höherer Gewalt handelt.
Für Bauverträge unter Einbeziehung der VOB/B gilt die Regelung für Leistungsstörungen und deren Folgen in § 6 VOB/B. Entscheidend ist, ob ausgelöst durch Begleitumstände der Coronakrise – eine Behinderung vorliegt. Der schlichte Einwand, man sei aufgrund der Coronakrise an der Ausführung seiner Leistung gehindert, wird hierbei nicht ausreichen. Der Auftragnehmer hat – wie auch bisher – im Einzelnen genau darzulegen, warum er bei der Ausführung seiner Leistung gehindert ist.
Liegt danach eine Hinderung vor, so verlängern sich nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 c VOB/B die vereinbarten Ausführungsfristen. Schadensersatzansprüche hängen davon ab, ob einer Partei ein Verschulden vorzuwerfen ist. Hierbei wird man aber davon ausgehen müssen, dass die Coronakrise – als höhere Gewalt – von keiner Partei zu vertreten ist.
Die in diesem Zusammenhang stets zu stellende Frage nach Entschädigungsansprüchen des Auftragnehmers aus § 642 BGB ist nach der zumindest derzeit herrschenden Meinung ebenfalls negativ zu beantworten. Denn auch im Rahmen § 642 BGB steht dem Auftragnehmer kein Anspruch auf Entschädigung zu, wenn der Bauablauf durch unabwendbare Ereignisse behindert wird. - Die Corona-Krise trifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen und bringt viele offene Fragen mit sich. Da die Arbeitspflicht mit Ausnahme des Krankheits- oder Quarantänefalls weiter fortbesteht, fragen sich viele Arbeitgeber, wie sie diese unter Wahrung ihrer Fürsorgepflicht, die Mitarbeiter am Arbeitsplatz vor Krankheit und Ansteckung zu schützen, ordnungsgemäß sicherstellen können. Ein Recht, aus eigener Vorsicht zu Hause zu bleiben, haben die Mitarbeiter nicht. Weiter stellen sich viele Fragen im Zusammenhang mit Entschädigungsansprüchen des Arbeitgebers im Falle behördlicher Schließungen bzw. angeordneter Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz und gegenüber welcher Behörde die Ansprüche durchzusetzen sind. Grundsätzlich hat nämlich auch im angeordneten Quarantänefall der Arbeitgeber die Vergütung fortzuzahlen.
Arbeitgeber stehen aktuell zunehmend vor der Frage, in Kurzarbeit zu gehen. Doch die Einführung von Kurzarbeit bedarf nicht nur in „bürokratischer“ Hinsicht gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit einer besonders sorgfältigen Vorbereitung. Vielmehr bedarf es im Verhältnis zu jedem einzelnen betroffenen Mitarbeiter zunächst einmal einer rechtlichen Grundlage zur Einführung von Kurzarbeit. Diese Grundlage kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einem einschlägigen Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben, was stets für den Einzelfall zu prüfen ist. Findet sich keine solche (vorhandene) Rechtsgrundlage, muss diese in Form einer einzelvertraglichen Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag oder in Form einer mit dem Betriebsrat kurzfristig abzuschließenden Betriebsvereinbarung erst geschaffen werden. Auch dies bedarf einer gründlichen Vorbereitung, um im Nachhinein nicht Gefahr zu laufen, dass der Mitarbeiter trotz Kurzarbeit im Falle einer rechtlich unzureichenden Regelung gleichwohl seinen vollen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber behält, was fatale finanzielle Folgen nach sich ziehen kann, insbesondere auch hinsichtlich abzuführender Sozialversicherungsbeiträge.
Bleiben Sie gesund!
Ihr EINSFÜNFACHT Team